Ludwigs
Burg
Festival

Byzantische Hymnen

Kaan Bulak über die ältesten Überlieferungen einer Komponistin

Zum Schlosserlebnistag am 20. Juni setzen sich die Ludwigsburger Schlossfestspiele mit dem Thema Frauen auseinander. Kaan Bulak – Komponist, Pianist und Produzent – der in dieser Spielzeit seine Auftragskomposition »Transtemporal« präsentiert, berichtet zu diesem Anlass über die Komponistin Kassia. Ihre Hymnen sind die ältesten Dokumente, die von einer Komponistin überliefert sind und finden auch Eingang in Bulaks neuer Komposition.

»Ich verachte die Stille, wenn es Zeit zu sprechen ist.

Ich verachte den reichen Mann, der sich beschwert, als sei er arm.

Ich verachte denjenigen, der alles des Ansehens wegen macht.

Kein Heilmittel wirkt gegen Dummheit, keine Hilfe außer dem Tod!

In der Krise wird sich die wahre Freundin zeigen, die ihre geliebte Freundin nicht verlässt.«


Kassia war eine byzantinische Komponistin und Poetin im 9. Jahrhundert in Konstantinopel. Als Tochter eines Kandidatos am kaiserlichen Hof erhielt sie eine gute Bildung und schrieb Gnomen, die durch ihre einzigartige Metrik ihre Gleichgültigkeit gegen die Schulgelehrsamkeit deutlich machten. In diesen Zeilen setzt sie sich vor allem mit persönlichen und menschlichen Themen wie Freundschaft, Reichtum und Klugheit auseinander und verwendet äußerst seltene biblische Zitate. Kassia wurde trotz ihres hohen Standes für ihren Aktivismus gegen die Zerstörung von Ikonen mit Peitschenhieben bestraft. Eine Legende besagt, dass Kassia bei einer Brautschau durch ihre klugen Antworten den Kaiser Theophilos verschreckt haben soll, der sich folglich trotz ihrer angesehenen Schönheit gegen sie entschied. Kassia heiratete nicht und gründete ein Kloster, wo sie sich ganz der Komposition von Hymnen und ihrer Poesie widmete.


Ihre Musik ist in Form von Hymnen erhalten worden. Sie ist die älteste Komponistin der Musikgeschichte, deren Musik überlebt hat. Die melodieführende Hauptstimme wird von einem improvisierenden Drone-Chor begleitet. Diese begleitende isokratema ist frei in der Gestaltung und erschafft die Grundlage für ihre einzigartige Tonalität zwischen dem Okzident und Orient. Kassia’s trauervolle, autobiografische und gesanglich herausfordernde Hymne »Die gefallene Frau« wird in griechisch-orthodoxer Tradition auch heute noch am Mittwoch der Karwoche gesungen.