Frühe Rebellinnen
Forugh Farrokhzad ist eine der bedeutendsten Dichterinnen der persischen Moderne. In den 30er-Jahren geboren, schrieb sie als erste Iranerin über weibliche Sehnsüchte und Wünsche, brach damit alle Konventionen und musste 1956 vor den Anfeindungen in ihrem Land nach Europa fliehen. Doch sie schrieb weiter und stieß mit ihren radikalen Versen über die Diskriminierung der iranischen Frauen heftige Debatten an. Wie Farrokhzad bewirkte auch die Dichterin Şükûfe Nihal Başar tiefgreifende Veränderungen für das Selbstverständnis der persischen Frauen. Başar kämpfte für die Aufhebung der Geschlechtertrennung an Hochschulen, schloss als erste Absolventin der »Darülfünun« Universität ab und war Mitbegründerin der Frauenunion in der noch jungen türkischen Republik. Sie gab ihren Kampf um Gleichberechtigung nie auf – eine wie auch Gültin Akin, die die weibliche Perspektive der traditionellen, patriarchalischen Gesellschaft in ihrer Lyrik thematisiert. In »Dünya Anne« sind es Verse, in denen der Wunsch nach Freiheit dieser drei Frauen zum Klingen gebracht wird.
»Und wenn ich ›Ich‹ sage, dann meine ich alle«
Das Gedicht der Pop-Sängerin Sezen Aksu fängt aktuelle Geschehnisse ein. Die Künstlerin veröffentliche 2022 einen Songtext, für den sie wegen Beleidigung des Islams bedroht und verklagt wurde. Zahlreiche Künstler*innen solidarisierten sich mit ihr, darunter auch Fazıl Say. Er vertonte ihr Gedicht »Jäger«, die Antwort auf Präsident Erdoğans Drohung, Aksu zum Schweigen zu bringen. Innere Stärke als Reaktion auf Härte ist auch in den Texten von Ece Temelkuran zu finden. Auf die gegenwärtige Härte von Erdoğans Politik antwortet die Investigativ-Journalistin mit Würde und Hoffnung. Sie hält an dem vereinenden Traum einer demokratischen Türkei fest. Diese einende Hoffnung beschreibt auch die preisgekrönte Autorin Birhan Keskin in ihrem Gedicht »Su« (dt. Wasser). Sie verbildlicht den Gräuel, der – erlebt und gesehen – in harte Worte mündete und doch letztlich nur mit diesem Traum im Herzen zu ertragen ist.
Vom Dunkel ins Licht
Wenn Selenay Kübra Koçel das Kahramanmaraş-Erdbeben in Worte fasst, dann begreift sie den Schmerz von Hunderttausenden. Didem Madak schreibt über tiefe, hilflose Traurigkeit und die Sehnsucht nach mütterlicher Geborgenheit, deren Düsternis noch von der Einsamkeit der Verse von Nilgün Marmara überschattet wird. Diese Frauen, deren hoher Intellekt und Wunsch nach Freiheit sie einsam machte, schreiben sich ihr Leben zurück. Es gibt sie nicht, die Grenze zwischen Poesie und Leben, das beweist die Feministin Bejan Matur auch in ihrem Engagement, besonders die persönlichen Geschichten und Traumata in ihren Kolumnen sichtbar zu machen. Und wenn Ayten Mutlu in ihrer Hymne zum 100. Jahrestag auffordert, trotz der Traurigkeit Freude zu spüren, »auf viele weitere Jahrhunderte«, dann wird klar, dass der Liederzyklus »Dünya Anne« nicht nur die Stimmen von Frauen zum Klingen bringt, die für ihre Würde unnachgiebig kämpften, sondern den weiblichen Tugenden und der natürlichen Urkraft der Liebe einen Klang gibt – den Klang der Hoffnung.
Erleben Sie dieses mitreißende Werk, gesungen von Serenad Bağcan, am 7. Juni in der Karlskaserne. Im Anschluss an die europäische Erstaufführung findet ein Meet & Greet statt. Einen ersten Höreindruck bekommen Sie jetzt schon auf »Fazıl Say Friends«.