Balthazar ist 29 Jahre alt und hat erst vor drei Jahren mit dem Tanzen angefangen. Chronische Schmerzen und das eigene nichtbinäre Geschlecht haben sein Verhältnis zum eigenen Körper sehr kompliziert gemacht, deshalb hat es sich Tanz vorher lieber nur angeschaut. Inzwischen hat sich aber viel getan und Balthazar steht mit Freude für »THE 3RD BOX« auf der Bühne. Außerhalb dieses Projekts hat Balthazar Musiktheaterwissenschaft und Gender Studies studiert und arbeitet ehrenamtlich im Queer Lexikon e.V., einer Online-Anlaufstelle für queere Jugendliche.
Kit ist 26 und studiert in Freiburg, wobei Kit vor allem zur Wahrnehmung und Darstellung von Körpern, Queerness und Transidentität in der Populärkultur forscht. Kit beschäftigt sich aber auch ganz praxisnah mit diesen Themen als Performer*in in »THE 3RD BOX«. Dabei hat Kit viel über Geschlecht, Bewegung und deren Zusammenhänge gelernt und möchte diese Erfahrungen jetzt mit anderen teilen, auf der Bühne und in gemeinsamen Workshops.
Könnt ihr erklären, warum die Produktion den Titel »THE 3RD BOX« trägt und was man sich darunter vorstellen kann?
Balthazar: Das Projekt wurde 2019 ins Leben gerufen, da gab es ziemlich neu die
Möglichkeit, »divers«
als weiteren Geschlechtseintrag statt »männlich«
oder »weiblich« eintragen zu lassen. Genau genommen ist das gar nicht die
dritte Option, die es in Deutschland gibt, sondern sogar schon die vierte: Seit
2013 ist es möglich, den Geschlechtseintrag auf der Geburtsurkunde leer zu
lassen, wenn ein Baby mit sogenannten »uneindeutigen« Genitalien auf die Welt
kommt, es also intergeschlechtlich ist. Weil aber eine Leerstelle kein
Geschlecht ist und vom deutschen Staat auch nur als Zwischenlösung gesehen wird,
gilt »divers« als der
dritte Geschlechtseintrag. Wir haben uns also in »THE
3RD BOX« gefragt: Für
wen ist dieses dritte Kästchen auf Formularen? Was für eine neue
Geschlechter-Box wird da aufgemacht und wer gehört da rein? Wem hilft sie, wem
schadet sie eher? Überhaupt haben wir uns mit diesen Boxen auseinandergesetzt.
Männer, Frauen, nichtbinäre Menschen, wir alle werden von klein auf in
Kategorien eingeteilt, denen wir uns anpassen sollen. Mit diesem Stück wollen
wir einen Raum für alle öffnen, sich ihre eigenen Boxen einmal genauer
anzusehen.
Könnt ihr etwas über den Entstehungsprozess erzählen?
Kit: Das erste Casting für »THE 3RD BOX« begann bereits im Winter 2019. Damals startete das Projekt mit einer Gruppe junger Erwachsener aus der ganzen Welt, die mit dem Ziel der Uraufführung im April 2020 eine erste Version dieses Stückes entwickelten. Natürlich kam dann mit der Pandemie alles anders; die Aufführungen wurden abgesagt und wir mussten die Proben in den digitalen Raum verschieben. Nach mehreren Online-Tanzprojekten konnten wir uns dann im Dezember 2021 endlich wieder in Person treffen, und los ging die Planung für eine lang erhoffte Aufführung im Frühjahr. Allerdings waren von den ca. 15 Performer*innen der ursprünglichen »THE 3RD BOX«-Produktion nur noch drei in Freiburg. Mit einem neuen, sehr viel kleineren Cast begaben wir uns dann also wieder auf die Suche nach einem Stück. Dadurch ist etwas ganz Einzigartiges entstanden, das diese ganzen Wandlungen und diese Vorgeschichte zwar in sich trägt, aber doch etwas klar Einzigartiges ist, das aus den intensiven Gesprächen und dem gemeinsamen Tanzen der Beteiligten hervorgekommen ist.
Welche Kernaussagen wollt ihr mit dem Stück herüberbringen?
Balthazar: Es ist schwer, genau in Worte zu fassen, worum es mir geht – gerade beim Thema
Geschlecht gehen mir oft die Worte aus. Deshalb ist der Tanz für mich so
hilfreich, um darüber zu kommunizieren. Mit meinem Körper in Bewegung kann ich
deutlich machen, dass sowohl Geschlecht, als auch die gesellschaftlichen
Regeln, die wir dafür haben, viel weniger in Stein gemeißelt sind, als Worte
uns oft glauben lassen. Für mich ist ein Kern dieses Stücks, Regeln und
Kategorien zu hinterfragen und vielleicht auch einen Einblick zu geben darauf,
was passieren kann, wenn wir Boxen auflösen und Grenzen verschwimmen lassen.
Kit: Uns ist es wichtig, dass wir keine Gruppen repräsentieren wollen. Als Performer*innen auf der Bühne stehen wir nicht für alle Männer, Frauen oder trans und nicht-binären Menschen. Wir sind nur wir selbst, und wir können auch nur unsere eigenen Erfahrungen mit Geschlecht ausdrücken. Aber das Besondere dabei ist ja, dass wir alle diese individuellen Erfahrungen gemacht haben. Geschlecht ist so verschieden für jeden Menschen. Das wollen wir auch beim Publikum rüberbringen: Wir sind zum Beispiel nicht nur »Frau«, wir haben eine ganz eigene Geschichte und Definition von »Frau-sein«. Diese Selbst-Beobachtung kann viele starre Kategorien aufbrechen.
Für wen eignet sich der Workshop zu »THE 3RD BOX«, der in der ersten Juli-Woche auf das Stück vorbereitet?
Balthazar: Eigentlich für alle, die einen Körper haben. Es ist ganz egal, ob du
diesen Körper magst oder nicht, ob du ihn viel bewegst oder wenig. Wichtig ist
nur, dass du neugierig bist. Wir machen alle unsere eigenen Erfahrungen mit
unserem Körper und unserem Geschlecht; darüber wollen wir in diesem Workshop
sprechen und schreiben und durch Bewegung neue Möglichkeiten suchen uns
auszudrücken. Wenn du Lust hast, dich zu diesen Themen auszuprobieren und dich
mit anderen darüber auszutauschen, dann bist du bei uns richtig.
Foto © Britt Schilling