Ludwigs
Burg
Festival

»Feuerwerke müssen mit Herz gemacht sein«

Ein Gespräch über Musikfeuerwerke, Livezündungen und Spezialeffekte

Den krönenden Abschluss jeder Saison bildet zusammen mit dem Festspielorchester traditionsgemäß ein eindrucksvolles Feuerwerk. Auch 2023 wird der Himmel beim »Monrepos Open Air« in allen Farben erstrahlen. Die Zündschnüre hierfür in der Hand hat seit 2010 die Potsdamer Feuerwerk GmbH – unter der Leitung von Björn Wilhelm. Der gebürtige Berliner begann seine Pyrotechnikerkarriere bei der Potsdamer Feuerwerk GmbH und ist seit 2005 der Kopf des Unternehmens, das sich auf Feuerwerk-, Laser- und Multimediashows spezialisiert hat.  

Herr Wilhelm, wie kann man sich die Vorbereitungen für ein Feuerwerk wie beim »Monrepos Open Air« vorstellen?  

Das Feuerwerk in Ludwigsburg zählt definitiv zu den aufwendigeren Aufträgen, die wir bekommen. Wir machen zwar zu 99 Prozent Musikfeuerwerke und sind auch darauf spezialisiert, davon sind aber nur 1 bis 2 Prozent Feuerwerke mit Livemusik wie in Ludwigsburg. Hierbei besteht die Herausforderung darin, bereits ein halbes Jahr vorher das Feuerwerk explizit auf die Musik zu schreiben. Dazu gehört, sich in die Partitur einzulesen, einzuhören, sich mit befreundeten Musiker*innen abzustimmen, ob es in dem Stück Feinheiten gibt, die man vielleicht selber noch nicht herausgelesen hat. Man muss das Stück hunderte Male gehört haben, damit man live vor Ort sicher hören kann, an welcher Stelle das Orchester gerade ist. Unser Pyrodesigner Torsten Klewer, der schon seit Jahren für das Ludwigsburger Feuerwerk zuständig ist, schreibt sich all seine Einsätze, so genannte Cues, handschriftlich in die Partitur. Er komponiert sozusagen das pyrotechnische »Musikinstrument«. Dabei ist natürlich auch die Schwierigkeit, dass der Moment der Zündung nicht gleich der Moment ist, an dem der Effekt am Himmel erscheint. Man hat erst die Zeit, in der die »Bombe« von unten aus dem Rohr nach oben in den Himmel schießt. Diese so genannte Aufstiegszeit muss er natürlich auch mitberücksichtigen. Normalerweise geht das viel automatisierter.  

Wie läuft denn üblicherweise die Programmierung ab?  

Bei einem klassischen Musikfeuerwerk wird die Musik vom Band abgespielt. Diese wird in unser Pyrodesignprogramm hochgeladen und mit unserer Datenbank verknüpft. Man sieht dann auf einen Blick alle Pyroartikel mit den technischen Daten, wie zum Beispiel die Aufstiegszeit, und kann gleich alle Effekte an die passenden Stellen in der Musik setzen. Der große Vorteil ist, dass man am Ende sehen kann, wie das Feuerwerk letztendlich aussehen wird. Dann muss man das Ganze eigentlich nur speichern und vor Ort einmal auf einen Startknopf drücken. Diese fertige Programmierung wird in Ludwigsburg rausgenommen und durch das manuelle Drücken vor Ort ersetzt.

Das heißt, in Ludwigsburg wird jeder Effekt live gezündet?  

Ja genau, weil es natürlich oft vorkommt, dass ein Dirigent mal etwas schneller, mal etwas langsamer spielt. Deshalb haben wir auch in Ludwigsburg kein durchgehendes Feuerwerk von 20 bis 25 Minuten, sondern nur Effekte auf bestimmten Stellen in der Partitur. Diese Feuerwerkspausen gibt es zum einen, weil der Pyrodesigner dafür keine Pyrotechnik vorgesehen hat oder er eine Lücke für Spielräume lassen will, falls das Orchester schneller oder langsamer spielt. Da ist also sehr viel Spontanität gefragt.  

Wie suchen Sie die Effekte aus, die in das Feuerwerk eingebaut werden?  

Wir greifen auf ungefähr 8.000 bis 10.000 verschiedene Feuerwerkseffekte zurück, die wir bei uns im Lager haben – die ganze Bandbreite der Pyrotechnik. Schon allein aus Zulassungsgründen müssen wir alle Daten zu diesen Effekten erfasst haben: Dazu zählen Aufstiegszeiten, Effektzeiten – also wie lange der Effekt am Himmel zu sehen ist – , wie groß die Sicherheitsabstände sein müssen; der ganze technische Schnickschnack. Unser Pyrodesignteam besteht aus vielen verschiedenen Jungs und Mädels, die schon seit vielen Jahren Feuerwerke planen. Die kennen natürlich die Effekte und wissen relativ genau, welchen Effekt sie wo haben wollen. Bei unseren Bestellungen berücksichtigen wir auch Spezialaufträge wie den der Ludwigsburger Schlossfestspiele. Torsten Klewer macht sich im Jahr davor schon Gedanken, welche Effekte er gerne für das Feuerwerk hätte, die nicht im Standardsortiment zu finden sind. Und die werden dann in kleineren Mengen bestellt und auch nur bei solchen Spezialaufträgen eingesetzt. Das sind dann Effekte, die man bei normalen Feuerwerken nicht zu Gesicht bekommt.

Was muss ein guter Pyrodesigner mitbringen?

Es muss auf jeden Fall Interesse da sein. Wenn man sich nicht dafür interessiert, dann wird man auch kein Händchen dafür entwickeln. Die Feuerwerke, die wir schießen, müssen mit Herz gemacht sein. Da müssen die Mitwirkenden auch dahinterstehen. Diese extreme künstlerische Arbeit kann man niemandem aufzwingen. Man kann ja auch niemandem aufzwingen, ein Bild zu malen. Dann wird das höchstens was Abgemaltes, aber nichts mit Leidenschaft. Wir brauchen die Menschen, die etwas Eigenes entwickeln, die selber ein Bild malen, die sich ein Bild am Himmel vorstellen und die sagen: Das würde ich gerne sehen. Diejenigen, die eben mit Herz dabei sind.

Reicht es, mit Herz dabei zu sein? Oder was macht ein gutes Feuerwerk noch aus?

Am Ende kommt es darauf an, das Publikum zu begeistern. In Ludwigsburg haben wir da ein paar tausend Leute sitzen, die nicht nur unterhalten, sondern begeistert werden wollen. Und da ist so ein Feuerwerk, gerade wenn es zum Ende stattfindet, der krönende Abschluss. Das Publikum muss mit einem tollen Gefühl nach Hause gehen. Das ist es, wofür wir das Ganze ja auch machen. Was ein Feuerwerk ausmacht, ist letztendlich Geschmackssache, wie bei Musik. Die einen mögen es lieber romantischer, die anderen etwas kraftvoller. Was zählt, ist eine gute Mischung, bei der für jeden etwas dabei ist.  

Gibt es schon irgendeinen einen Spezialeffekt, der unser Publikum beim Open Air besonders begeistern wird?

Den wird es bestimmt geben, aber nicht nur, dass ich ihn nicht weiß, mein Pyrodesigner würde ihn auch nicht verraten (lacht).

Gut zu wissen


• In Deutschland gibt es den Ausbildungsberuf des Pyrotechnikers nicht. Die erforderlichen Qualifikationen werden über zahlreiche Praktika bei lizensierten Unternehmen und über einen abschließenden Fachkunde-Lehrgang vermittelt. Der Schulung, die zwischen fünf und sechs Tagen dauert und mit einer schriftlichen und mündlichen Prüfung abgeschlossen wird, muss mindestens ein Jahr Praxiserfahrung vorausgehen. Nach einer erfolgreichen Beendigung darf man sich dann stolze*r Besitzer*in eines »Befähigungsscheines zum Umgang mit pyrotechnischen Gegenständen« nennen

• Es wird zwischen Pyrotechniker*in und Pyrodesigner*in unterschieden: Pyrotechniker*innen sind diejenigen, die die Feuerwerke technisch am Veranstaltungsort durchführen, Pyrodesigner*innen sind für die Zusammenstellung des Feuerwerks und die künstlerische Arbeit zuständig

• Bei den Potsdamer Feuerwerken sitzen neben den Pyrotechniker*innen bei Livemusik-Feuerwerken immer Künstler*innen, die auch Partitur lesen können. Diese Personen werden intern »Klopfer« genannt, weil sie zusätzlich die Partitur mitlesen und wichtige Einsätze vor der Zündung durch Klopfen ankündigen.

• Die Potsdamer Feuerwerk GmbH schießt seit 2010 das Feuerwerk für das »Monrepos Open Air«; seit 2015 ist Torsten Klewer Designer und Hauptverantwortlicher für das Feuerwerk in Ludwigsburg